Glattaler Freitag, 23. April 2004 DUEBENDORF

Konzert mit «Irina & Gadjos» in der Oberen Mühle

Edith Piafs Stimme und Zigeunerblut

Textfeld:   Irinas Stimme und Ausdruckskraft erinnerten an die grosse Dame des französischen Chansons, Edith Piaf.    (fra) Sie sang auf Russisch, Jiddisch, Ungarisch, Englisch und Französisch: Irina, die Nachkommende von Fahrenden. Musikalisch begleitet wurde sie von zwei Gadjos, Sesshaften, aus dem Bernbiet.

MANUELA LETSCH

Das Konzert von «Irina & Gadjos» am Samstagabend lockte zahlreiche Besucherinnen und Besucher in die Obere Mühle. Sie wurden nicht enttäuscht. Es reichte eine erste gesungene Bluesnummer von Irina, um das Publikum zu begeistern. «Eine Stimme wie Edith Piaf, meinte eine Konzertbesucherin bewundernd. Sie hätte wohl auch zu einer schwarzen Soulsängerin gepasst.

Instrumentale Fülle

Gebettet war Irinas Stimme auf die nicht minder starke musikalische Begleitung ihrer zwei Mitmusiker: Christoph Habegger und Jürg Walter. Die beiden Gadjos (Sesshafte) beschränk­ten sich nicht etwa auf ein einziges Instrument. Sie brachten gleich eine ganze instrumentalische Palette mit. Habegger tat sich vor allem als virtuoser Fiddler auf seiner Geige hervor. Daneben spielte er hervorragend Rhythmusgitarre. Zeitweise benutzte er sogar seine Geige als Gitarre: Er griff Akkorde und schlug die Saiten an.

Liedgut der Fahrenden

Auch bei Walter hörten die musika­lischen Fähigkeiten noch lange nicht beim Akkordeon auf, das er meistens spielte. Ebenso versiert zeigte er sich, wenn er in die Tasten des Flügels griff. Oder beim Kontrabass-Spiel, das durchaus noch häufiger hätte zur Geltung kommen können. Irina und ihre Gadjos entpuppten sich als hervorragend aufeinander abgestimmtes Team. Die meisten der Stücke stammten aus dem Liedgut von fahrenden Roma aus Osteuropa, so Habegger, der Gründer der Band. Zwischendurch fand sich zudem Volksmusik auf Russisch, Jiddisch und Ungarisch sowie auf Französisch. Daneben kamen auch einige bluesige und jazzige Nummern zum Tragen.

Eine Tasche aus Schafsleder

Irina stellte sich als Enkelin russischer Fahrenden vor, mit dem gewin­nenden, von Helvetismen durchsetzten Akzent solcher, die schon lange in der Schweiz leben. Mit Charme präsentierte sie dem Publikum ihre Handtasche aus totem Schaf. «Meine Grossmutter macht diese Taschen selber. Wenn Sie eine möchten, dann bestel­len Sie sie bei mir.» Eigentlich begleite sie immer ihre Tasche aus der toten Katze Muschka an die Konzerte, verriet Irina dem Publikum schalkhaft, «doch die Tasche fühlte sich nicht so zwäg heute.» Der Running Gag begleitete den Konzertabend bis in die Zugaben hinein.

Doch keine Russin

Auch Irinas Äusseres und ihre Kleidung liessen beim Publikum keinen Zweifel aufkommen; dass es sich bei ihr tatsächlich eine waschechte Zigeunerin handelt: rote Hose und Oberteil, schwarze Haare, grosse goldene Ohrringe. Zum Konzertschluss gab es für die drei Musiker auch gleich noch ein Glas Vodka. Erst auf der Internetseite der Musikagentur erfährt der interessierte Leser, dass die ach so russische Sängerin in Tat und Wahrheit in Bern zur Welt gekommen ist.

Das Publikum mitgerissen

Das Publikum liess sich schnell von der ausgelassenen Stimmung der Leadsängerin anstecken. Es spendete frenetisch Applaus und begleitete die Lieder mit zunehmend selbstbewusster werdendem Klatschen, Stampfen und Singen. Es fehlte nicht viel und das Konzertpublikum hätte die Stühle zur Seite gestellt und zu tanzen begonnen. Schliesslich blieb es dann aber doch bei einer Handvoll Verwegener, die im Hintergrund das Tanzbein schwangen.