Wiler Tagblatt - MONTAG, 24. JANUAR 2005 - region flawil

Berührende Bühnenpräsenz

«Irina&Gadjos» zu Gast im Mogelsberger «Rössli»

MOGELSBERG. «Musique Tzigane» eröffnete am ver­gangenen Samstag das 20. Jubiläumsjahr von Kultur in Mogelsberg. Gut siebzig begeisterte Zuhörergenossen das Konzert der Berner Band «Irina & Gadjos», was in der Sprache der Fahrenden «die Sesshaften» bedeutet.

FRANZISKA SALAZAR

Seit gut fünf Jahren spielt das Trio «Irina & Gadjos» zusammen, kennen gelernt haben sich Irina, Jüre Walter und Christoph Habegger an einer Freilichttheateraufführung im Emmental. «Eigentlich war es damals ein Zufall», meint die Bernerin Irina, die nur als Notlösung bei «Gadjos» eingesprungen war. «Doch ob Zufall oder eine höhere Führung...», überlegt sie kurz, um weiterzufahren: «wenn ich singe, dann liebe ich, dann tauche ich ein in den Sinn des Lebens. In diesen Momenten werde ich ganz Zigeunerin.» Sie sieht eigene Wurzeln bei den Zigeunern, sei aber als waschechte, sesshafte Bernerin aufgewachsen. «Das Leben, so wie man sich das bei herkömmlichen Fahrenden vorstellt, ist in der heutigen Zeit kaum mehr real. Die Alkoholproblematik ist sehr hoch, alte Traditionen wie auch Handwerke gehen leider verloren. Wir bewahren ein Stück davon in der Musik.» Irina singt seit ihrer Kindheit, und wenn sie singe, «dann sind es wohl diese Momente, in denen ich Gott am nächsten bin».

Irina und ihre Begleiter vagabundieren durch ein vielseiti­ges Repertoire. Ihre Lieder erzählen von Liebe und Schmerz und auch vom harten Los der Zigeuner: Django Reinhard, Mu­sette, Edith Piaf, Les Paul und Louis Armstrong musikalisch zitierend. Manchmal beginnt Habeggers Geige traurige Geschichten von langen Nächten zu erzählen. Sie spricht vom Weinen der Seele oder vom Zwitschern eines Vogels.

Er habe im Leben schon vieles abgebrochen, meint Christoph Habegger, der virtuose «Fiddler» und Rhythmusgitarrist. Doch immer blieb ihm die Musik. Wenn er spiele, dann sei er glücklich. Das Akkordeon von Walter erinnert sich an längst verflossene Lieben. Jüre Walter: «Ich bin unterwegs, wenn meine Finger über die weissen Knöpfe tanzen. Ich kann es kaum in Wor­te fassen. Es ist, als würde ich fliegen.» Nicht nur der vielseitige Musiker fühlt sich in diesen Momenten eins mit der Welt; auch die Band scheint ein Ganzes zu sein. Und auf einmal, wie ein rauer Wind, berührt ein eindringlicher Gesang die Seelen derer, die sich anrühren lassen. Ein Tanz zwischen Melancholie und Heiterkeit. Die Musik der Gadjos mag aus allen möglichen osteuropäischen Ländern kommen, im "Rössli» trifft sie einen zentralen Nerv: Sie ruft das ganze Spektrum menschlicher Gefühle hervor. Musik scheint ein Handwerk zu sein, das Menschen glücklich machen kann.

Stimmfülle: Irina